Artikel aus Simlify your life Januar 2004
Partnerschaft
Die 4 Wohnungen der
Liebe
Durchschauen Sie Ihr
erotisches Navigationssystem
Eine
Kernthese der Psychoanalyse lautet: „Unbewusstes erkennt Unbewusstes irrtumslos.“ Wenn Sie sich in einen anderen Menschen
verlieben und über einen längeren Zeitraum mit ihm zusammenbleiben, dann
verdanken Sie das nicht dem Zufall oder Ihrer Lebenserfahrung, sondern vor
allem Ihrem „erotischen Navigationssystem“.
Amor
trifft immer ins Schwarze
Was Sie aus dieser Entdeckung für sich persönlich gewinnen
können, ist zunächst einmal Gelassenheit. Wo auch immer Amors Pfeil für Sie
hinflog, er trifft immer einen Menschen, der Ihren wichtigsten seelischen
Bedürfnissen entspricht. Er verkörpert alles, wonach Sie sich (auch unbewusst)
sehnen. Oder er weckt in Ihnen ungeahnte Kräfte. Die Liebe hilft, alte, nutzlos
gewordene Muster hinter sich zu lassen, zu reifen und in Ihr bestes Selbst
hineinzuwachsen.
Der Liebescode
filtert den Richtigen heraus
Der Paartherapeut Michael Lukas Moeller hatte großen Respekt
vor Amors hoher Trefferquote. Weil dieser mit „geistergleicher Genauigkeit“
arbeitet, weiß Ihr Unbewusstes innerhalb von Sekunden, ob die Liebeslandkarte,
die Sie seit Ihrer Kindheit in Ihrem Innersten angelegt haben, aus Ihrer Sicht
zu der Ihres Gegenübers passen könnte. Wenn das so ist, verlieben Sie sich.
Die 4 Stationen
einer gelungenen Partnerschaft
Bis zu diesem Zeitpunkt hat Amor weitgehend autonom
operiert. Er hat Sie erwischt, vielleicht auch noch verbandelt,
aber jetzt ist er weg und sucht neue Opfer. Für den langen Weg einer
gelingenden Liebesbeziehung ist er nicht zuständig. Um eine Liebesbeziehung,
die Ingeborg Bachmann einen „dunklen Kontinent“ nannte, verstehen zu können,
brauchen Sie Hilfe. Sie müssen wissen, mit welchen Hindernissen Sie zu rechnen
haben. Sie brauchen ermutigende Bilder für eine alltagstaugliche und tragfähige
Beziehung.
Die amerikanische Psychologin Audrey Fain hat 4
verschiedene Phasen entdeckt, in die ein Paar immer wieder gerät. Wenn sie alle
4 gemeistert werden, wird Ihre Beziehung zum Partnerschaftsweg der geglückten
Selbstverwirklichung.
Verliebtheit: das
Liebesnest
Es gleicht einem wunderschönen intimen Raum. Es wird
bestimmt von Leidenschaft und kreativer Energie. Man ist berauscht, ein
bisschen verrückt und außer Kontrolle. Der Liebste wird mit Geheimnissen
umgeben, er ist alles, was wir nicht sind und ersehnen. Wir projizieren
ungehemmt alle guten Eigenschaften, die wir gerne besäßen, in den anderen. In
seiner Nähe fühlen wir uns edler und stärker, freier und lebendiger. Schlafende
Teile unserer Persönlichkeit erwachen. Wir werden selbstbewusster, aktiver und
damit auch attraktiver. Die Tore zum Unbewussten sind weit offen, wir sind hoch
empfänglich für Gefühle: Sinnliches, Sex, aber auch für spirituelle
Erfahrungen. In der Verliebtheitsphase ahnen wir plötzlich, wie viel noch in
uns steckt. Alles ist möglich!
Der Haken beim Liebesnest: Dieser exquisite Zustand wird zwar überall als
erstrebenswert gefeiert, dauert aber nicht ewig. Soll man sich jedes Mal
trennen, wenn die Verliebtheit vorbei ist? Wohin gerät ein Paar, das
zusammenbleibt?
Rollenanpassung:
der Bauernhof
Das Paar gerät in ein altes Bauernhaus mit vielen Ställen
und großen Feldern. Hier gibt es viel zu tun. Eine Arbeits- Partnerschaft
beginnt. Man zieht zusammen, heiratet vielleicht, regelt die Erziehung der
Kinder, das Geldverdienen, die Gestaltung von Freizeit, Kontakten und
Freundschaften. Stress wirkt auf das Paar ein: Finanzen, Beruf, andere
Menschen.
Mit der ersten Unterdrückung des Eigenen beginnt die Anpassung an
Machtstrukturen. Wir passen uns an, um den anderen nicht zu verlieren.
Lebendigkeit und Übereinstimmung nehmen ab. Das Paarsystem funktioniert oft gar
nicht schlecht, es ist produktiv, kann Kindern ein Zuhause bieten und wird von
außen gut akzeptiert. Man kann „eigentlich“ zufrieden sein. Diese Phase kann
unbegrenzt andauern, wenn nicht eine Krise ausbricht.
Der Haken beim Bauernhof: Wir leben gemäß den Erwartungen von Zeitgeist,
Gesellschaft und Kulturkreis. Wir leisten einen Beitrag zum großen Ganzen. Wenn
wir unser individuelles Selbst aber darüber vergessen, verfehlen wir uns
genauso wie jemand, der nur seinen individuellen Bedürfnissen folgt und das
größere Ganze ignoriert.
Der verdunkelnde
Konflikt: das Räuberhaus
Es gleicht einer Spelunke in einer finsteren Schlucht.
Keiner fühlt sich dort wohl. Eine Krise braut sich zusammen. Einer fängt an,
sich bewusst zu werden, wie sehr er unter dem Gewicht einer stark geregelten
Partnerschaft leidet. Man verliert die Illusion, dass formales Funktionieren
plus Zusammensein automatisch Vertrautheit ergibt. Man reagiert mit Depression
oder Wut auf den anderen. Sie fühlen sich von ihm oder ihr ausgenutzt, beraubt
oder missbraucht. Er ist das Monster, das uns enttäuscht hat und uns unsere Selbstachtung
kostet. Er ist schuld an unserem inneren Chaos. Typisch ist, dass oft nur einer
von beiden ins Räuberhaus gerät, während der andere den Bauernhof scheinbar
seelenruhig weiter versorgt. Trennungsphantasien melden sich. Hier brechen
viele ihre Partnerschaft ab. Sie projizieren alle ihre
positiven Hoffnungen nach draußen in eine neue Karriere, eine neue Verliebtheit
oder ein neues soziales Engagement.
Der Haken beim Räuberhaus: Wenn Sie das Problem nicht in dieser Partnerschaft
lösen, nehmen Sie es in die neuen Felder mit und wiederholen es wahrscheinlich
mit einem anderen Partner.
Der Sinn dieser Phase: sich der eigenen dunklen Persönlichkeitsanteile bewusst
werden und lernen, die negativen Projektionen zurückzunehmen. Wer bereit ist,
auch in den „bösen Tagen“ seiner Beziehung treu zu bleiben, mobilisiert starke
Kräfte aus der Tiefe, die ihm und seinem Partner helfen, aus dem Räuberhaus
herauszufinden – auch wenn dieser schmerzliche Prozess Jahre dauern sollte.
Die vertiefte
Einheit: das Schloss
Jedes Paar hat ein königliches Recht, dieses Schloss zu
beziehen. Der Schlüssel dazu hing an Amors Pfeil. Nur finden müssen Sie es
selbst im Land der Liebe. Das Schloss verkörpert die Ganzheit, nach der wir uns
so sehnen. In dieser Phase erinnern sich beide Partner daran, wer sie selbst
eigentlich sind. Beide erforschen Grenzen und Möglichkeiten ihrer einzelnen
Persönlichkeiten. Beide wagen sich auf neue Beziehungsebenen miteinander vor.
Am Ende bewegen sich beide souveräner in ihrem Partnerschaftsreich, das sie mit
allen Licht- und Schattenseiten kennen. Dazu gehören wachsende Bewusstheit,
Mitgefühl, Verzicht auf Macht und ein leidenschaftliches Interesse an der
Person des anderen. Einen Haken hat das Leben im Schloss nicht – außer
vielleicht den, dass es keine Abkürzung gibt, um dorthin zu gelangen.